Wir haben uns heute mal wieder mit Versicherungs-Apps befasst. Der Grund dafür war die Bitte um Mitarbeit an einer universitären Studie, die sich mit einer Versicherungs-App befassen wird.

Die Versicherungen beginnen zu verstehen, dass Apps auf dem Smartphone oder Tablet ein guter Weg sein können, um Kunden zu gewinnen und bestehende Kunden zu pflegen. Deshalb werden in den Versicherungsgesellschaften Digitalisierungsteams mit zum Teil abenteuerlichen Bezeichnungen zusammengestellt, die dann Konzeptionen und Ideen für Versicherungs-Apps ausarbeiten. Besonders mutig ist man dabei nicht. Stattdessen versucht man nur bestehende Prozesse ins Digitale zu übertragen. Das ist in vielen Fällen einfach langweilig und oft nicht zuende gedacht.

Angeführt wird das Thema Versicherungs-Apps zur Zeit von Versicherungsvergleichs-Apps, die Apps einzelner Versicherungsgesellschaften findet man auf den hinteren Plätzen. Viele Versicherungen haben noch keine eigene App und überlassen das Feld den Versicherungsvergleichen. Auch wenn sich deren Geschäftsmodell zunehmend herumspricht und weniger Verbraucher davon ausgehen, in diesen Vergleichen tatsächlich unabhängig und neutral informiert zu werden, so haben die Web- und App-basierten Vergleiche die Nase eindeutig vorn.

Die Branche verschläft das App-Zeitalter mit seinen Chancen. Und wenn eine Versicherung mit einer App rauskommt, dann geht es um Schadensregulierung bei Kfz-Unfällen, Notfallhilfe oder allgemeine Ratgeberinhalte. Auffällig ist auch, dass die Apps der Versicherungen sich in den App Stores alles andere als einladend präsentieren. Da fehlen Screenshots und der Beschreibungstext liest sich wie eine Traueranzeige. Sind Apps gar ein ungeliebtes Kind der Branche, mit dem man sich nicht gerne zeigen und identifizieren möchte? Fast gewinnt man diesen Eindruck…

Der Kundennutzen wird bei Versicherungs-Apps gerne vergessen

Der Grund dafür liegt in der internen Perspektive. Die Versicherungen täten gut daran, auch mal aus der Perspektive des Kunden auf ihre App-Projekte gucken zu lassen und kreativer mit Apps und ihren Möglichkeiten umzugehen.

Eine große Versicherung hatte bei unserer Schwesterfirma App-Agency angefragt, ob wir Ideen zur App-Vermarktung hätten. Klar hatten wir die, aber die erste Empfehlung von uns lautete, der App überhaupt mal einen Nutzen für den Kunden mitzugeben. Daraufhin war die Gegenseite beleidigt und die verschnupften Mitarbeiter an dem Zukunftsprojekt meldeten sich nicht mehr. Sicher haben Sie

Unser Vorschlag war gewesen, der Versicherungs-App einen tatsächlichen Kundennutzen mitzugeben, so dass der Versicherungsverkauf über die App nicht der alleinige Inhalt ist. Denn so eine App will natürlich keiner haben. Und genau das zeigte sich auch in den äußerst schwachen Downloadzahlen. „Ich habe keine Lust, einem potenziellen Kunden im Vorgespräch alle unsere Ideen auf dem Silbertablett zu präsentieren“, sagt Markus Burgdorf, anerkannter App-Experte und Gründer der App-Agency. Zu oft hätte man schon Ideen geklaut und versucht, diese selbst umzusetzen.“Meine Erfahrung basiert aus über 10.000 getesteten Apps und rund 6.000 – 7.000 Artikeln zu Apps, ich kenne den Markt seit 2009. Damals wurde von mir eine innovative Marktplatz-App vorgestellt, die leider keine Finanzierung bekam, weil die Finanzwirtschaft sich nicht vorstellen konnten, dass Apps mal erfolgreich werden würden. Seit Anfang 2010 berate ich national und international App-Publisher und App-Entwickler, die mehr Erfolg mit ihren Apps haben möchten.“

Das größte Potenzial für die Versicherungsbranche ist digital

„Die Versicherungswirtschaft erhält mit Apps und Digitalisierung ganz neue Möglichkeiten, Kunden anzusprechen, Verträge anzupassen, Neukunden zu gewinnen aber auch durch falsche Entscheidungen und zu spätes Reagieren Kunden zu verlieren und wird mittelfristig, in vielleicht gerade mal 10 Jahren komplett, verändert sein“, so Burgdorf.

In dem Interview, das Burgdorf heute für die Studenten gegeben hat, skizzierte er einige der Ideen, die er bereits vor Jahren hatte, auf die bisher noch keine Versicherung gekommen ist. Es gibt nämlich für jede Versicherungssparte und jede Versicherungsart sinnvolle Zusatznutzen, die sowohl den Versicherungen selbst, als auch dem Kunden nutzen können. Um diese zu entwickeln, ist ein Denken außerhalb der Box notwendig.

„Wenn mir eine Versicherung einen PDF-Antrag per Mail schickt, halten das viele bereits für digital und fortschrittlich“, so Burgdorf, „wenn ich dann aber diesen Antrag ausdrucken und in zweifacher Ausfertigung im Kuvert per Post an die Versicherung schicken muss, dann ist das alles andere als fortschrittlich und nervt mich bereits.“

Wer denkt bei den Versicherungen eigentlich digital?

Versicherungen brauchen heute einen Think-Tank, eine Art StartUp-Team im Unternehmen. Dieses Team sollte frei denken und experimentieren können, ohne sich gleich den oft vorherrschenden Einwürfen „haben wir immer schon so gemacht“ oder „wieviel Verträge schreiben wir dadurch mehr“ unterwerfen zu müssen.

Es gilt heute, tradierte Strukturen und Prozesse zu hinterfragen und neu zu denken. Daraus entstehen nicht nur effizientere Prozesse, es besteht auch die Chance, dass sich dadurch neue Geschäftsfelder eröffnen, die man bisher für nicht möglich hielt.

Ein Chief Digital Officer (CDO) mit direkter Anbindung an den Vorstand oder besser als Vorstandsmitglied muss daher viele Freiheiten haben und ein Team aufbauen können. Er muss international recherchieren, Erkenntnisse ausprobieren dürfen und darf auch mal über das Ziel hinausschießen.

Der CDO ist ein digitaler Vordenker, der mit seinem Team kreativ arbeitet, eventuell auch mal als Investor in ein interessantes StartUp investiert oder StartUps Möglichkeiten für eine raschere Expansion bietet. Er muss den Kunden der Versicherung zuhören und neben dem Nutzen der Versicherung auch dem Kunden einen Mehrwert bieten. Das gelingt durch disruptive Lösungen, angefangen vielleicht mit einer App, die der Kunde wegen des Nebennutzens installiert…